Dienstag, 3. September 2013

Virtuelle Maskulisten und das Image des Maskulismus

Eigentlich schreibe ich hier nicht über tagesaktuelle Themen, zumal dieser Blog nicht als Diskussionsblog gedacht ist und ich keine Zeit zum Moderieren habe (bei Interesse an Diskussionen: das Thema wird gerade bei Evochris heftig diskutiert). Aber eine Ausnahme muß erlaubt sein.

Im Moment erhitzt #om3gate die Gemüter beiderseits des Geschlechtergrabens. Auslöser war bekanntlich der Vortrag "Ihr gehört alle mal durchgevögelt -- Hate Speech und Victim Blaming nach dem #Aufschrei" von Frau Strick auf der Piraten-Konferenz open mind #om13, in dem sie die virtuellen Belästigungen der Aufschreiinitiatoren anprangerte.

Sie belegte ihre Klage u.a. mit Äußerungen einer virtuellen Person, die den Blog kleines-scheusal.de und den Twitteraccount @ochdomino betrieb. Nach aktuellem Stand der Nachrichten war diese Person ein Fake. Es stand zwar eine reale Person dahinter, die scheinbar teilweise ihre eigene Meinung vertrat, aber letztlich im Auftrag einer Werbeagentur handelte, die mit Provokationen eine stark frequentierte Webseite aufbauen wollte. Charakterlich stellte sich diese virtuelle Person als durchaus gediegen dar (Bach, Kultur, Bücher, Antifaschismus, ...).

Als eine seltsame Ungereimtheit empfand ich schon vor einiger Zeit, daß sie einen anderen sehr aggressiven, von groben Unverschämtheiten strotzenden Blog eines "Maskulisten" mehrfach lobte, verlinkte und zur Lektüre empfahl. Obwohl der Schreiber sehr gut informiert war und einige Posts durchaus inhaltlich interessant waren, kam er wegen der verbalen Ausfälle nicht für meine (leider nicht vorankommende) Liste empfehlenswerter Blogs infrage. Dieser Blog wurde im Vortrag von Frau Strick ebenfalls mehrfach zitiert und auf diese Weise als typischer Maskulist präsentiert.

Auf mysteriöse Weise verschwand dieser Blog ungefähr zeitgleich mit kleines-scheusal.de, so daß der Verdacht aufkam, auch dieser Blog sei ein Fake; leider wurde nach langer Pause am 8.9.2013 wieder aktiv. Das Rätsel, wer hinter diesem Blog steckt, bleibt uns also erhalten. Wer hinter diesem Blog steckt, ist aber eigentlich zweitrangig, denn auch wenn es eine reale Person ist, dann wäre es --- genau das, genau eine einzelne private Person, deren Relevanz sehr beschränkt ist, mehr nicht.
Es ist genauso zweitrangig, ob @ochdomino die Meinung einer echten Person oder die Meinung eines synthetischen Charakters, den sich jemand ausgedacht hat, vertrat.

Entscheidend ist die Beobachtung, daß beide Avatare offensichtlich in hohem Maße bewußtseinsbildend für Frau Strick und andere Vertreter des Netzfeminismus waren und für das Negativ-Image des Maskulismus eine nicht unerhebliche Bedeutung besaßen: in Vorträgen wie dem von Frau Strick werden derartige Einzelfälle der Öffentlichkeit als die Normalfälle und als "die Realität" präsentiert, mit dem offensichtlichen Effekt, die Vertretung von Männerrechten insgesamt zu diskreditieren. Schon bei der #Aufschrei-Kampagne, die ein mehr oder weniger orchestriertes Ereignis war, wurde der Umfang und Inhalt der Tweets deutlich übertrieben dargestellt. Diese Kernkritik trifft auch auf den Vortrag auf der om13 zu. Man vermißt ferner die nötige professionelle Distanz gegenüber Quellen, deren Echtheit und Relevanz zweifelhaft ist.

Die Zweifel an der Echtheit bzw. Relevanz der beiden genannten virtuellen Personen haben einen positiven Effekt: sie machen deutlich, auf welchem dünnen Eis das Image des Maskulismus steht, das in den Medien und von bestimmten Strömungen des Feminismus propagiert wird.

Dem Maskulismus bleibt nichts anders übrig, als allen derartigen Falschdarstellungen und unzulässigen Verallgemeinerungen entschieden entgegenzutreten. Umgekehrt sollte man nicht den analogen Fehler machen, die extremen Ränder des Feminismus als repräsentativ für den gemäßigten Feminismus darzustellen. Ein Beispiel ist die Twitter-Kampagne #killallmen, die als Unverschämtheit und Geschmacklosigkeit zu verurteilen ist, die aber zumindest ich bei aller Verärgerung nicht ernst nehmen kann.

Nachtrag:
Der Zufall will es, daß wir gerade eine weitere Twitter-Kampagne #tvduell mit über 170.000 Tweets miterleben dürfen, deren Irrelevanz in "Wir sind die 0,01 Prozent: Die Second-Screen-Twitter-Blase" sehr schön analysiert wird. Diese Analyse unterstützt zum Glück an einem Thema, das nichts mit der Geschlechterfrage zu tun hat, die These, daß man sein Weltbild besser nicht auf Tweets anonymer Herkunft bauen sollte, weder auf einzelne noch auf massenhaft auftretende.

Überarbeitet am 9.9.2013

Weitere lesenswerte Analysen der Open Mind 13:

  1. Asemann: Geschlossenes Weltbild auf der "Open Mind" 13? http://asemann.de/?p=296
  2. pelz: #Neofeminismus: Vortrag auf der #om13 der Piraten, http://www.nuklearsprengkopf.de/2013/08/neofeminismus-vortrag-auf-der-om13-der-piraten/
  3. Lukas Schoppe: Milgram, Domino und die seltsame Sehnsucht nach Stalingrad, http://man-tau.blogspot.de/2013/09/milgram-domino-und-die-seltsame.html

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