Dienstag, 7. November 2017

Empirische Sozialforschung nach feministischer Art


Ein Gedankenexperiment

Beginnen wir mit einem kleinen Gedankenexperiment: welche deutsche Partei könnte folgenden Aufruf, der an alle Deutschen gerichtet ist, auf ihrer Webseite veröffentlichen?
Kriminalität durch Flüchtlinge

Was ist Ihnen passiert?

Ein gestohlenes Smartphone, Schlägereien, sexuelle Belästigungen - haben Sie schon mal diese oder ähnliche Kriminalität durch Flüchtlinge erlebt? Was haben Sie dagegen unternommen? Berichten Sie uns von Ihren Erfahrungen. Ihre Daten behandeln wir vertraulich.

Was haben Sie erlebt, nachdem Sie die Polizei, ihren Bürgermeister oder einen Bundestagsabgeordneten auf die Gewalt durch Flüchtlinge aufmerksam gemacht haben? Wie haben sich diese Verantwortlichen verhalten? Wie haben Ihre Verwandten und Kollegen reagiert? Hat es Ihnen in Ihrem Beruf geschadet, dass Sie sich gewehrt haben - oder vielleicht sogar gutgetan?

Nach rund 3 Wochen hat die Partei 262 Fälle gesammelt und verkündet triumphierend:
Hunderte Bürger haben uns Straftaten von Flüchtlingen geschickt, die sie im Alltag miterleben mußten.

Weil womöglich viele Leser durch diese offensichtliche Hetzkampagne, die ausschließlich kriminelle Flüchtlinge darstellt und dadurch beim Leser den falschen Eindruck erwecken will, alle Flüchtlinge seien kriminell, nervlich zu sehr aufgewühlt werden, beenden wir das Gedankenexperiment an dieser Stelle mit dem expliziten Hinweis, daß keine deutsche Partei einen solchen Aufruf durchgeführt hat.

Ein reales Experiment

Stattgefunden hat ein strukturell identischer Aufruf aber trotzdem, mit dem kleinen Unterschied, daß dort "die Frauen" die Rolle "der Deutschen" und "die Männer" die Rolle "der Flüchtlinge" spielen.

Der Aufruf erschien wörtlich am 20.10.2017 auf ZEIT Online, nur die Rollen und die Beispiele für Belästigungen oder Straftaten wurden ausgewechselt. Die 262 gesammelten Fälle wurden am 07.11.2017 veröffentlicht, man bekommt zusätzlich eine Klassifikation der Fälle geliefert, die versucht, dem ganzen den Anstrich empirischer Sozialforschung zu geben.

Damit diese Fallsammlung auch richtig interpretiert wird, die Einzelfälle also unzulässig generalisiert werden, erläutert der Artikel:

Wie alltäglich anzügliche Blicke, sexistische Sprüche, der lange verharmloste Klaps auf den Po und zweideutige Angebote aber sind, zeigt sich gerade auch an den Erfahrungen, die Frauen unter dem Hashtag #MeToo teilen.
Wenn wir einmal von ca. 25 Millionen Frauen in Deutschland ausgehen, die nicht im Greisen- oder Kindesalter sind, ausgehen, dann sind 262 Fälle bzw. betroffene Personen eher eine Minderheit und können schon von daher nicht "zeigen", daß diese Vorfälle für alle Frauen alltäglich sind, wie hier suggeriert wird.

Man kann diese Anzahl auch nicht einfach hochrechnen, denn es wurde sicherheitshalber nicht nach Frauen gefragt, die nicht belästigt wurden, das wäre auch langweilig und sogenanntes derailing gewesen. Wie schon bei der #aufschrei-Kampagne sind weder diese 262 Fälle noch die deutschen Tweets der #metoo-Kampagne repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.

Männer sollten draußen bleiben

Der Aufruf richtete sich übrigens nur an Frauen:
Viele Frauen werden am Arbeitsplatz sexuell belästigt. Wir wollen wissen: Was haben Sie erlebt, als Sie gegen aufdringliche Chefs und Kollegen vorgegangen sind?
Auf unerklärliche Weise haben es trotzdem 7 Männer geschafft, sich in diese Umfrage hineinzudrängeln. Bzw. sie sind hineingelassen worden, denn so kann man den Eindruck erwecken, Männer seien so gut wie nie bzw. um den Faktor 254/7 = ca. 36 weniger häufig als Frauen betroffen.

Fazit

Soziale Probleme werden sozial konstruiert, und die Festigung des Opferstatus aller Frauen ist sozusagen Lebenszweck des Feminismus. Dazu sind alle Methoden recht. Ob es sich hier mehr um die Methode der Angsterzeugung oder Täuschung (durch die suggerierte falsche Generalisierung) handelt, können wir offen lassen - irgendwie trifft beides zu.

Quellen